Weltwirtschaftliches Archiv

Zeitschrift
des
Instituts für Weltwirtschaft und Seeverkehr
an der Universität Kiel

Herausgegeben
von
Bernhard Harms
Proffessor an der Universität Kiel

Redaktionssekretär Dr. Hermann Bente

21. Band (1925 I)

Semper Panis Artibus

Jena
Verlag von Gustav Fischer
1925

Auszug der Seiten 180 - 189

Die Kartelle und Konzerne in der deutschen Porzellanindustrie.

I. Kartelle.

In der deutschen Porzellanindustrie (1) bestehen gegenwärtig drei Kartelle:
  1. der Verband Deutscher Porzellangeschirrfabriken G.m.b.H.,
  2. der Verband Deutscher Luxusporzellanfabriken G.m.b.H.,
  3. der Verband Deutscher Elektrotechnischer Porzellanfabriken, mit dem die Vereinigten Hochspannungsisolatorenwerke im Zusammenhang stehen.

1. Die Anfänge des Verbandes Deutscher Porzellangeschirrfabriken gehen auf das Jahr 1899 zurück. Am 25. Jan. 1900 fand die notarielle Beurkundung des Gesellschaftsvertrages statt, der dann von 46 Fabriken unterzeichnet wurde. Der Verband erhielt die Firmenbezeichnung: »Vereinigung Deutscher Porzellanfabriken zur Hebung der Porzellanindustrie G.m.b.H.«. Die Porzellan-geschirrfabriken also, die sich bereits i.J. 1814 in der »Vereinigung der 7 Thüringer Porzellanfabriken« zusammengeschlossen hatten, haben auch zuerst den Weg zum Kartell gefunden. Die Gründe hierfür liegen zutage: Gerade in der Porzellangeschirrindustrie, einer Industrie, die sich an die Masse als Abnehmer wendet, mußten die Gefahren eines rücksichtslosen Konkurrenzkampfes am ehesten in Erscheinung treten. Auch bewirkte die Verwendung von Maschinen eine größere Kapitalanlage, die das Risikomoment und die Gefahr der Unrentabilität steigerte. Es lag daher nahe, daß man sich zunächst in diesem Industriezweig vor Überproduktion und Preisunterbietung zu schützen suchte. Die Dauer des Vertrages erstreckte sich ursprünglich auf fünf Jahre. Wenn auch oft Änderungen der Vertragsbestimmungen und des Namens eintraten, hat sich die Vereinigung doch bis zum heutigen Tage erhalten. Die Widerstände, die sich einer völlig geschlossenen Organisation der Porzellangeschirrindustrie in den Weg gestellt hatten, wurden durch die unübersichtlichen wirtschaftlichen Verhältnisse der Nachkriegszeit beinahe gänzlich beseitigt; fast sämtliche Außenseiter traten nach entsprechenden Verhandlungen i.J. 1919 dem Verbande bei.
Die Tätigkeit des Verbandes erstreckt sich heute auf folgende, für alle Mitglieder verbindlichen Angelegenheiten:
  1. Festsetzung angemessener Verkaufspreise im In- und Ausland für Gebrauchs-, Zier-, Kunst- und technisches Porzellan aller Art durch Vereinbarung von Mindestpreislisten, Kalkulationsnormen und Beziehungsziffern sowie durch Zuordnung der Mitglieder zu verschiedenen Preisskalen;
  2. Durchführung allgemeiner Verkaufs- und Zahlungsbedingungen für das In- und Ausland;
  3. Regelung des Verkaufs der als Bruch bezeichneten geringsten Sorte einschließlich der völligen Übernahme des Verkaufs im Inland durch den Verband;
  4. Stellungnahme zu den außerhalb des Verbandes stehenden Gewerbetreibenden der Porzellanindustrie und zu andern Verbänden der feinkeramischen Industrie im In- und Ausland, Beteiligung an solchen Organisationen, die gleiche oder ähnliche Zwecke verfolgen wie der Verband Deutscher Porzellangeschirrfabriken, oder deren Unterstützung;
  5. Herstellung von Beziehungen zu den Kunden und deren Organisationen, Kreditschutz;
  6. Schutz des geistigen Eigentums der Gesellschafter, Förderung des keramischen Bildungs- und Forschungswesens;
  7. Stellungnahme zu den Arbeitnehmern und ihren Organisationen;
  8. Versicherungswesen;
  9. Bestimmung von Vertragsstrafen für Verletzungen der Statuten und Gesellschaftsbeschlüsse und Regelung des schiedsgerichtlichen Verfahrens und seiner Zuständigkeit.

2. Nicht so alt wie der Verband Deutscher Porzellangeschirrfabriken ist das im Kriege gegründete Kartell der Luxusporzellanindustrie. Zwar waren schon in der Vorkriegszeit Versuche unternommen worden, ein Kartell ins Leben zu rufen, aber sie waren jedesmal gescheitert, da die Differenziertheit der Produktion in der Luxusporzellanindustrie einen Zusammenschluß verhinderte. Erst unter dem Zwang der Verhältnisse in der Kriegszeit erschien eine Kartellgründung unumgänglich, und so wurde i.J. 1919 »Der Verband Deutscher Luxusporzellanfabriken G.m.b.H.« ins Handelsregister eingetragen. Die sich aus der Vielseitigkeit der Produktion ergebenden Schwierigkeiten des Zusammenschlusses ließen sich durch eine sehr weitgehende Gruppeneinteilung beheben.
Aufgabe des Verbandes Deutscher Luxusporzellanfabriken ist die Förderung der Luxusporzellanindustrie und der Gesellschafter in allen wirtschaftlichen Fragen, im besonderen
  1. die Wahrnehmung der Interessen gegenüber den Behörden;
  2. die Erzielung angemessener Verkaufspreise und allgemeiner Verkaufs- und Zahlungsbedingungen für das In- und Ausland;
  3. die Einführung von Maßnahmen zur Verhinderung einer Überproduktion;
  4. die Wahrung der Urheberrechte;
  5. die Wahrnehmung der Arbeitgeberinteressen gegenüber den Arbeitnehmerorganisationen, soweit dies nicht durch den Arbeitgeberverband der feinkeramischen Industrie geschieht.
Heute umfaßt der Verband fast die gesamte Produktion der Luxusporzellanindustrie. Nach langen Verhandlungen mit dem Verband Deutscher Porzellangeschirrfabriken kam es am 6. März 1921 zum Abschluß eines Gegenseitigkeitsvertrages, der den Grund zu einer Interessengemeinschaft zwischen den beiden Verbänden legte. Die Gemeinsamkeit der Interessen ergab sich dadurch, daß eine ganze Reihe von Luxusporzellanfabriken nebenbei Tassen und andere Geschirrtypen herstellte, die Geschirrfabriken anderseits auch Luxusartikel fabrizierten.
Aus dem Vertrag heraus, der zunächst gemeinsame Preise und Konditionen für »Thüringer Artikel« (2) schaffte, entwickelte sich eine Konditionengemeinschaft mit kombinierten Aufsichtsratssitzungen und Generalversammlungen.
Unterdessen hatten sich auch die keramischen Malereien zu einem Verbande zusammengeschlossen. Im Jahre 1919 schon war von dem Verband Deutscher Luxusporzellanfabriken der Versuch gemacht worden, die keramischen Malereien als eine besondere Gruppe seiner Organisation zusammenzufassen, ein Plan, der sich jedoch nicht durchführen ließ, da die Malereien in ihrer Eigenschaft als Weiterverarbeiter der Weißware Kundeninteressen vertraten, als Verkäufer dekorierter Ware aber Lieferanteninteressen wahr-nehmen. Sollte die Preis- und Konditionenpolitik der beiden genannten Verbände der Porzellanindustrie nicht eine empfindliche Lücke aufweisen, so mußten die Kartelle unbedingt versuchen, auch die Gruppe der keramischen Malereien an ihre Bedingungen zu knüpfen. Aus diesen Erwägungen heraus beschloß der Verband Deutscher Porzellangeschirrfabriken, die Organisation der Malereien von sich aus zu betreiben, und so kam am 2. März 1920 ein Verband Deutscher Keramischer Malereien zustande. Er schloß in der Folgezeit mit dem Verband Deutscher Porzellangeschirrfabriken und dem Verband Deutscher Luxusporzellanfabriken Allianzverträge ab, wodurch Preise und Konditionen eine für alle geltende Regelung fanden.

3. Von weniger großer Bedeutung ist das Kartell der Elektrotechnischen Porzellanindustrie, das die Form eines einge-tragenen Vereins hat. Die Vereinigten Porzellanisolatorenwerke sind ein reines Verkaufssyndikat, dem sämtliche Angebote, Aufträge und Lieferungen gemeldet werden müssen. Jeder ihrer Fabriken wird ein bestimmtes Kontingent zugeteilt; wird dieses überschritten, so muß die betreffende Fabrik einen gewissen Prozentsatz des Erlöses an die Werke abtreten, die das Kontingent nicht erreichen. Schon vor der Gründung des Verbandes Deutscher Elektrotechnischer Porzellanfabriken i.J. 1919 hatte in den Jahren 1910/12 ein Verband der Niederspannungs- und Schwachstrommaterial herstellenden Fabriken bestanden, der sich aber nicht hatte halten können. Auch in diesem Industriezweig waren es also die Verhältnisse der Kriegs- und der Nachkriegszeit, die zu einem erneuten Zusammenschluß drängten. Zunächst traten die meisten vorhandenen Fabriken dem Verbande bei. Es entstanden jedoch bald viele neue Fabriken, die die Herstellung von Niederspannungs- und Schwachstrommaterial aufnahmen, da die Produktion einfach war und sich mit wenig Kapital ausführen ließ. Diese Fabriken schlossen sich dem Verbande nicht an, und das veranlaßte wiederum eine größere Anzahl von Verbandsfabriken, aus dem Verband auszutreten. Infolgedessen hat der Verband bei dem starken Außenseitertum heute keine große wirtschaftliche Bedeutung mehr. Zeitweise war man sogar gezwungen, die festgesetzten Mindestpreise aufzuheben, um die Einhaltung der durch das Außenseitertum bedenklich gefährdeten Verbandsbestimmungen zu ermöglichen.
Der Verband Deutscher Elektrotechnischer Porzellanfabriken steht in einem Vertragsverhältnis mit den Vereinigten Hochspannungs-isolatorenwerken; ebenso besteht ein allerdings noch nicht in Vertragsform gekleidetes Abkommen mit dem Verband Deutscher Porzellangeschirrfabriken, wonach sich beide Verbände verpflichten, die Mitglieder, die einen Produktionstyp des andern Verbandes herstellen, zum Beitritt zu diesem Verband zu veranlassen.
Ein Überblick über die Kartellorganisation der deutschen Porzellanindustrie ergibt folgendes Bild:
  1. Verband Deutscher Porzellangeschirrfabriken G.m.b.H., Berlin, mit folgenden Unterabteilungen:
    1. Verband Bayrischer Porzellanindustrieller,
    2. Thüringer Bezirksvereinigung des Verbandes Deutscher Porzellanfabriken,
    3. Verband Ostdeutscher Porzellanfabriken;
  2. Verband Deutscher Luxusporzellanfabriken G.m.b.H., Weimar;
  3. Verband Deutscher Keramischer Malereien G.m.b.H.;
  4. Verband Deutscher Elektrotechnischer Porzellanfabriken e. V.,
Weimar, mit dem die Vereinigten Hochspannungsisolatorenwerke G. m. h. H., Berlin, im Vertragsverhältnis stehen.
Die unter 1. und 2. genannten Verbände sind zu einer Interessengemeinschaft zusammengeschlossen.

II. Konzerne.

Die in der deutschen Porzellanindustrie bestehenden vier Konzerne sind:
  1. der Strupp-Konzern,
  2. der Arnhold-Konzern,
  3. der Rosenthal-Konzern,
  4. der Winterling-Konzern.
Die Konzentrationsbewegung setzte teilweise schon vor dem Kriege ein, der enge Zusammenschluß in Konzerne aber war auch hier eine Folge der Kriegs- und der Nachkriegsverhältnisse.

1. Der Strupp-Konzern. Die Stütze der im Strupp-Konzern zusammengeschlossenen Unternehmungen ist die Bank für Thüringen vorm. B. M. Strupp in Meiningen. Dem Konzern gehören die folgenden zwölf Unternehmungen an:
  1. Porzellanfabrik Kahla A.-G. in Kahla, Thüringen. Seit 1888 Aktiengesellschaft; 1889 Gründung einer Zweigniederlassung in Hermsdorf, Thüringen; 1890 Ankauf der Zwickauer Porzellanfabrik; 1906 Inbetriebsetzung einer neugegründeten Fabrik für elektrotechnisches Porzellan in Freiberg, Sachsen.
  2. Porzellanfabrik H. Schomburg & Söhne A.-G. in Großdubrau, mit Fabriken in Margarethenhütte, Sachsen, und Roßlau, Anhalt. Seit 1907 Aktiengesellschaft; seit 1922 Mitglied des Konzerns.
  3. Porzellanfabrik Joseph Schachtel A.-G. in Charlottenbrunn. Seit 1916 Aktiengesellschaft; 1922 Beitritt zum Konzern.
  4. Tonwarenfabrik Schwandorf A.-G. Sie umfaßt eine Porzellanfabrik in Schwandorf, Steingutfabriken in Schwarzenfeld und Amberg und grobkeramische Werke in Schwandorf, Wiesau und Pirkensee. Seit 1890 Aktiengesellschaft; 1922 Anschluß an den Konzern.
  5. Porzellanfabrik E. & A. Müller A.-G. in Schönwald. Seit 1907 Aktiengesellschaft; 1918 Aufnahme in den Konzern.
  6. Porzellanfabrik Schönwald A.-G. in Schönwald mit Werken in Schönwald, Oberfranken; und Arzberg, Oberpfalz. Seit 1898 Aktiengesellschaft unter gleichzeitigem Anschluß an den Konzern.
  7. Porzellanfabrik Lorenz Hutschenreuther A.-G. in Selb, Bayern. Seit 1922 Aktiengesellschaft infolge zunehmender Vergrößerung der Fabrik; gleichzeitig Beitritt zum Konzern; weitere Vergrößerung durch Ankauf der Porzellanfabrik Jäger & Werner.
  8. Porzellanfabrik Paul Müller in Selb, Bayern. 1917 Ankauf durch die Lorenz Hutschenreuther A.-G.
  9. Porzellanfabrik Königszelt A.-G. in Königszelt, Schlesien. Seit 1886 Aktiengesellschaft; 1906 Beitritt zum Konzern.
  10. Porzellanfabrik Weiden Gebr. Bauscher A.-G. in Weiden, Oberpfalz. Seit 1918 Aktiengesellschaft und Mitglied des Konzerns.
  11. Porzellanfabrik Rauenstein vorm. Fr. Chr. Greiner & Söhne A.-G. in Rauenstein, Thüringen. Seit 1900 Aktiengesellschaft und Mitglied des Konzerns.
  12. Porzellanfabrik Kloster Veilsdorf A.-G. in Kloster Veilsdorf, Thüringen; mit Niederlassungen in Brattendorf und Eisfeld. Seit 1884 Aktiengesellschaft; 1923 Angliederung der Liebmannschen Porzellanfabrik in Schney.
Neben diesen industriellen Werken der keramischen Industrie stehen dem Konzern noch folgende Rohstofflager nahe:
Die Kemmlitzer Kaolinwerke vorm. F. M. Wolff in Kemmlitz, Sachsen, die von der Porzellanfabrik Kahla erworben wurden.
Das Kaolinwerk L. Hutschenreuther-Fischern bei Karlsbad, das der Porzellanfabrik Lorenz Hutschenreuther gehört.
Die Deutsche Feldspat- und Kaolinwerke A.-G. in Seilitz, die der Porzellanfabrik Weiden gehört.
Die Keramischen Rohstoffwerke G.m.b.H. in Weiden, in deren Händen der Vertrieb der Rohstoffe von Seilitz und der Pegmatitgruben der Porzellanfabrik Weiden liegt.
In Beziehungen zum Konzern steht weiterhin die E. Wunderlich & Co. A.-G. in Altwasser, Fabrik für keramische Buntdruckwerke, mit Werken in Altwasser, Freiberg, Schlesien, und Glogau.
Innerhalb des Strupp-Konzerns gibt es wieder zwei größere, fest zusammengeschlossene Gruppen, deren eine die Interessengemein-schaft Kahla-Schomburg ist. Zwischen der Porzellanfabrik Kahla A.-G. und der Porzellanfabrik H. Schomburg & Söhne A.-G. wurde i.J. 1922 eine Interessengemeinschaft auf 99 Jahre abgeschlossen und dadurch engstes Zusammengehen im Ausbau der Werke und in der Herbeiführung weiterer technischer Fortschritte vereinbart. Der Vertrieb der elektrotechnischen Produkte dieser Interessenge-meinschaft erfolgt durch die Hermsdorf-Schomburg-Isolatoren G.m.b.H. in Berlin. Die beiden Gesellschaften haben ihre Vorstände zu einem Gesamtvorstand vereinigt und tauschen ihre Aufsichtsratsmitglieder aus. Eine sehr enge Beziehung ist ferner durch Aktienaustausch geschaffen und durch die Vereinbarung, den Gewinn beider Gesellschaften zusammenzuwerfen und nach einem bestimmten Schlüssel zu verteilen. Der Interessengemeinschaft sind angegliedert die Porzellanfabrik E. & A. Müller A.-G. in Schönwald und die Tonwarenfabrik Schwandorf, deren Aktienkapital die beiden Gesellschaften fast restlos im Besitz haben. Ihnen gehört eben falls ein beträchtlicher Teil des Aktienkapitals der Porzellanfabriken Schachtel und Schönwald. Die Interessengemeinschaft Kahla-Schomburg hat sich zu dem bedeutendsten Unternehmen in der deutschen Porzellanindustrie entwickelt. Vor allem steht sie in der Herstellung elektrotechnischen Porzellans ohne größere Konkurrenz da; 70 % der gesamten Fabrikation von Hochspannungsmaterial entfallen allein auf die ihr an geschlossenen Fabriken. - Die zweite Gruppe umfaßt die Porzellanfabriken Lorenz Hutschenreuther, Paul Müller und Königszelt. Die Porzellanfabrik Paul Müller befindet sich finanziell vollständig in den Händen der Porzellanfabrik Lorenz Hutschenreuther; die Porzellanfabrik Königszelt ist durch Aktienaustausch und Delegierung von Aufsichtsratsmitgliedern mit der Porzellanfabrik L. Hutschenreuther verbunden Die übrigen zum Strupp-Konzern gehörenden Fabriken sind nicht so eng zusammengeschlossen wie die beiden genannten Gruppen. Die Verbindung unter ihnen ist in der Hauptsache durch die Zugehörigkeit einzelner Personen zu allen Aufsichtsräten gegeben und durch die Vereinigung sämtlicher dem Strupp-Konzem angeschlossenen Fabriken in der i.J. 1921 gegründeten »Forschungsgesellschaft Vereinigter Porzellanfabriken m.b.H.«. Durch diesen Zusammenschluß soll eine möglichst rationelle Arbeit jedes Werkes unter Ausnutzung der neuesten technischen, besonders feuerungstechnischen, und chemischen Errungenschaften und ein Austausch der gegenseitigen praktischen Erfahrungen erreicht werden.

2. Der Arnhold-Konzern. Das Bankhaus Gebr. Arnhold in Dresden hatte sich schon vor dem Kriege an der keramischen Industrie stark beteiligt. Im Jahre 1919 gründete es die Bank für Keramische Industrie, die den Zweck verfolgt, das keramische Gewerbe in jeder Hinsicht, besonders aber durch finanzielle Unterstützung zu fördern. Die Bank ist an einer Reihe von Unternehmungen des In- und Auslandes stark beteiligt und hat diese zu einer Interessengemeinschaft, dem sog. Arnhold-Konzern, zusammengeschlossen. Die einzelnen Unternehmungen  sind:
  1. Porzellanfabrik C. M. Hutschenreuther A.-G. in Hohenberg mit Werken in Hohenberg, Arzberg und Dresden-Radeberg. Seit 1904 Aktiengesellschaft; Sitz der Generaldirektion ist Dresden.
  2. Altrohlauer Porzellanfabriken A.-G. in Altrohlau. (Die Porzellanfabrik Moritz Zdekauer in Altrohlau in Böhmen wurde i.J. 1909 von der C. M. Hutschenreuther A.-G. käuflich erworben. Im Jahre 1919 mußte das Altrohlauer Werk infolge der Schwierigkeiten, die sich u.a. aus der Handhabung des Musterschutzes ergaben, an eine in Form einer G.m.b.H. errichtete Betriebsgesellschaft verpachtet werden, die natürlich von der C. M. Hutschenreuther A.-G. abhängig war. Als nach der Errichtung der Tschechoslowakischen Republik auch diese Form nicht mehr aufrechtzuerhalten war, sah man sich i.J. 1922 zur Gründung einer nationalen Aktiengesellschaft gezwungen. Mau fand jedoch Wege, diese unter deutscher Leitung und in deutschem Besitz zu behalten.)
  3. Porzellanfabrik C. Tielsch & Co. A.-G. in Altwasser. Seit 1917 Aktiengesellschaft.
  4. Aelteste Volkstedter Porzellanfabrik. Seit 1894 Aktiengesellschaft; gleichzeitig Verschmelzung mit der Porzellanfabrik Unterweißbach.
  5. Schwarzburger Werkstätten für Porzellankunst G.m.b.H. Im Jahre 1919 von der Aeltesten Volkstedter Porzellanfabrik gegründet.
  6. Porzellanfabrik Richard Eckardt & Co. A.-G. in Volkstedt.
  7. Porzellanfabrik Dressel, Kister 81. Co. in Passau.
  8. Steingutfabrik Rudolf Heinz &. Co. in Neuhaus.
  9. Steingutfabrik S. Bergmann ir. & Co. in Neuhaus.
  10. Feinsteingutfabrik Max Boessler in Rodach.
  11. Porzellanfabrik Triptis A.-G. in Triptis, Thüringen.
Innerhalb des Arnhold-Konzerns bestehen wiederum zwei eng verbundene Gruppen. Die eine Gruppe bildet die Interessen-gemeinschaft Hutschenreuther-Tielsch. Seit 1921 sind mit Ausnahme einer verschwindend kleinen Anzahl sämtliche Aktien der Porzellanfabrik Tielsch & Co im Besitz der C. M. Hutschenreuther A.-G.; Geschäftsführer der Tielsch A.-G. ist ein dem Unternehmen angehörender Direktor, der auch Vorstandsmitglied der C. M. Hutschenreuther A.-G. ist. An diese Interessengemeinschaft ist die Porzellanfabrik in Altrohlau angeschlossen. - Die zweite Gruppe des Arnhold-Konzerns ist der Konzern der Aeltesten Volkstedter Porzellanfabriken, der die unter f bis j aufgeführten Unternehmungen umfaßt. Diese stehen durch Austausch von Aktien und von Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern in besonders nahen Beziehungen zueinander.
Die Dresdener Porzellanmalereien Richard Klemm, Donath & Co. und Richard Wehsener wurden angekauft, zu einem Unternehmen verschmolzen und als Dresdener Kunstabteilung der C. M. Hutschenreuther A.-G. dem Konzern angegliedert. Ferner erwarb man Kaolinfelder bei Imligau und bei Altrohlau in Böhmen. Weiter sicherte sich der Konzern Rohmaterial zur Herstellung von Porzellan durch seine Beteiligung an den Börtewitzer Kaolingruben G.m.b.H. Im Herbst 1921 erfolgte eine weitere Ausdehnung seiner Interessensphäre dadurch, daß er sich durch Zeichnung einer großen Zahl von Anteilen an der Keramischen Tunnelofenbau-Gesellschaft m.b.H. Saarau beteiligte und zusammen mit Tielsch die Keramische Rohstoff-Vertriebsgesellschaft gründete. Um nach der Liquidation der Keramischen Tunnelofenbau-Gesellschaft am 26. Sept. 1923 der keramischen Industrie die Erfahrungen des Tunnelofenbaus zu erhalten, wurde ein Abkommen mit der neugegründeten Industrie-Bedarfs-A.-G. Dresden getroffen, deren Ofenbauabteilung sich auch mit dem Bau von Tunnelöfen befassen und somit das Arbeitsfeld der liquidierten Gesellschaft erhalten und weiter ausdehnen wird. Die vertikale Konzentrationstendenz des Arnhold-Konzerns läßt sich auch aus der Transaktion Kuhnert-Turbo erkennen. Der Konzern erwarb die Mehrheit der Aktien der Kuhnert-Turbo-Werke A.-G. in Meißen durch Aktienumtausch, und diese Verbindung mit dem Arnhold-Konzern veranlaßte dann die Kuhnert-Turbo-Werke, die Herstellung von Maschinen für keramische Zwecke aufzunehmen. Im Oktober 1922 gründete die C. M. Hutschenreuther A.-G. zusammen mit der Reiniger, Gebbert und Schall A.-G. in Erlangen die Saxonia-Dental-Verkaufsgesellschaft in Berlin, die eine Vertriebsgesellschaft darstellt und sämtliche Artikel verkauft, die von Zahnärzten bezogen werden, wie künstliche Zähne, Einrichtungen und Instrumente.

3. Der Rosenthal-Konzern. Im Gegensatz zu den beiden behandelten Konzernen, deren Zustandekommen hauptsächlich auf eine Industriepolitik der Banken zurückzuführen ist, und deren Leitung auch in Händen der betreffenden Banken liegt, ist die Entwicklung der Rosenthal A.-G. zum Konzern hauptsächlich das Werk eines Privatmannes, wenn auch unter Anlehnung an die Dresdner Bank. Zum Rosenthal-Konzern gehören folgende Unternehmungen:
  1. Porzellanfabrik Philipp Rosenthal in Selb, Bayern. Seit 1897 Aktiengesellschaft; im gleichen Jahre Erweiterung des Unternehmens durch Ankauf der Porzellanfabrik Bauer, Rosenthal & Co. in Kronach; 1908 Ankauf der Porzellanfabrik Thomas in Marktredwitz; infolge zunehmender Ausdehnung der Geschäftstätigkeit Erweiterung des Marktredwitzer Betriebes durch die Gründung der Abteilung C der Porzellanfabrik Philipp Rosenthal & Co. A.-G. in Marktredwitz; 1917 Erwerb der Fabrik Jacob Zeidler & Co., Bahnhof Selb; 1921 Ankauf der Krister Porzellanindustrie A.-G. in Waldenburg, Schlesien.
  2. A.E.G. Porzellanfabrik Hennigsdorf, Betriebsbüro Rosenthal. (Im Jahre 1921 schloß der Konzern einen Interessengemeinschafts-vertrag mit der Allgemeinen Elektrizitäts-Gesellschaft in Hennigsdorf bei Berlin ab. In der A.E.G. Porzellanfabrik Hennigsdorf wird ausschließlich Porzellan für elektrotechnische Zwecke hergestellt, das von der A.E.G. gekauft wird. Die Regelung der Verkaufspreise und des Gewinnprozentsatzes ist im Vertrag niedergelegt.)
  3. Steatitwerke Adam Weber & Co. in Nürnberg. 1921 vom Konzern erworben.
  4. Bohemia-Werk in Karlsbad. (Mit der Beteiligung an diesem Werk hat der Konzern den Anfang gemacht, sein Kapital im Ausland zu investieren.)
Die finanzielle Verbindung der einzelnen Unternehmungen des Rosenthal-Konzerns ist äußerst eng. Durch Gründung einer eigenen Verkaufsorganisation ist eine direkte Verbindung mit den Verbraucherkreisen hergestellt worden; es wurden nicht nur in maßgebenden Städten Deutschlands, sondern auch im Auslande eigene Verkaufsniederlagen errichtet oder bestehende Geschäfte durch Verträge zu Rosenthal Niederlagen ausgebaut.

4. Der Winterling-Konzern ist eine Interessengemeinschaft, deren Verträge nicht veröffentlicht sind. Er umfaßt folgende Unter-nehmungen:
  1. Fabrik Heinrich Winterling in Marktleuthen,
  2. Fabrik Gebr. Winterling, Roeßlau,
  3. Firma Oscar Schaller Nachf. mit Werken in Schwarzenbach und Kirchenlamitz.
Die Fabriken sind reine Privatunternehmungen, ohne von einer Bank kontrolliert zu werden.

Dr. Albert Fillmann, Kahla.

(1) Die vorliegende Zusammenstellung ist dem zweiten Teil der im Institut für Weltwirtschaft und Seeverkehr an der Universität Kiel angefertigten und am 28. Juni 1924 vorgelegten Dissertation: »Die Stellung der Kartelle und Konzerne in der deutschen Porzellanindustrie« entnommen.
(2) Als »Thüringer Artikel« bezeichnet man kleinere Massenartikel wie Butterdosen, Zuckerschalen, Marmeladedosen, Eierbecher usw.

Semper Panis Artibus Weltwirtschaftliches Archiv • Jena Verlag von Gustav Fischer 1925
Zeitschrift des Instituts für Weltwirtschaft und Seeverkehr an der Universität Kiel
Herausgegeben von Bernhard Harms Proffessor an der Universität Kiel
Redaktionssekretär Dr. Hermann Bente
21. Band (1925 I) • Auszug der Seiten 180 - 189
© 2010