Plenske, Ernst (1907): Über Mikrostruktur und Bildung der Porzellane (Dissertation) (Seiten 10 - 16)

II. Hauptteil.

I. Mikrostruktur der Porzellane.

a. Geschichtliches.

Als erster beobachtet Ehrenberg 1) an Porzellandünnschliffen u. d. M. bei schwacher Vergrößerung, daß Kaolin und Flußmittel in einer milchig erscheinenden Masse neben einander liegen; die Flußmittel bilden den durchsichtigen Grund, während der undurchsichtige Kaolin in Gestalt aneinander gereihter Kügelchen als nach allen Richtungen gekreuzte, ineinander gewobene, gegliederte Stäbchen erscheine. Oschatz und Wachter 2) dagegen kommen auf Grund der mikroskopischen Untersuchung verschiedener Brennproben zu dem Ergebnis, daß das Porzellan eine glasige, von unzähligen Kristallnadeln äußerster Kleinheit erfüllte Masse ist, deren Undurchsichtigkeit von dem Lichtreflex und der Lichtbrechung derselben herrührt. Diese Beobachtung wird von Behrens 3) bestätigt, während Knapp 4) mehr der Ehrenbergschen Erklärung zuneigt. Nach Behrens? mikroskopischen Untersuchungen enthalten die Porzellane zunächst Quarzsplitter, welche allemal abgerundete Kanten besitzen und meist von einer etwa 3 µ breiten, kieselsäurereichen Glashülle in Gestalt eines Hofes von geringerem Lichtbrechungsvermögen, als das der Grundmasse, umgeben sind. Im Berliner Porzellan, welches am meisten Quarzsplitter enthalten soll, haben diese 3—40 µ Durchmesser und sind stets klar, stark und gleichmäßig doppeltbrechend. Auch die den Quarz umgebende Glaszone zeige oft Doppelbrechung, die von Elastizitätsdifferenzen herrühre, welche durch eingeschlossenen Quarz bedingt seien. Zuweilen enthalten die Quarzsplitter Glastropfen und diese wieder nicht selten eine auffallend große Gasblase. Manche Porzellane sollen keinen Quarz erkennen lassen. Ferner treten amorphe, wahrscheinlich auf Kaolin zurückzuführende Körnchen auf und in der glasigen Grundmasse sehr zahlreiche, winzige, farblose Kristallstäbchen (Zirkels Belonite) mit durchaus geradlinigen Kanten; ihre Enden sollen teils abgerundet, teils tief abgestutzt, auch gespalten und gabelförmig sein. Die Belonite haben bis 30 µ Länge und nur 0,4—0,6 µ Dicke; sie erscheinen zuweilen als büschel- und fächerförmige Aggregate, meist aber wirr durcheinander. Vielfach bemerkt man auch ein Netzwerk von in verschiedenen Richtungen sich kreuzenden Bündeln parallel gelagerter Stäbchen, in dessen Maschen winzige Körnchen liegen. Diese sind kugelig oder länglich, einzeln oder gruppiert; ihr Durchmesser betragt 0,4—0,5 µ. Behrens hält sie für Entglasungsprodukte. Vereinzelt beobachtet er auch lichte Flecke, frei von Beloniten und Körnchen. Sonst kommen noch Luftbläschen von 2—60 µ Durchmesser vor; sie sind meist sphärisch, ellipsoidisch oder birnförmig, auch kantig und bewirken z. T. die weiße Farbe des Porzellans. — Porzellanknöpfe sollen aus einem farblosen, durchsichtigen Glase mit scharfkantigen Quarzsplittern und vielen Bläschen, aber ohne Entglasungsprodukte bestehen. — Im japanischen Porzellan ist die Glasmenge größer, als die der Belonite. Letztere sind gut ausgebildet, sehr oft zu Paketen und Morgensternen vereinigt und mit wenig Körnchen vermengt. Die Quarzsplitter sind wenig abgerundet, die Luftblasen groß, meistens rund und recht zahlreich.
Nach Behrens bezeichnet:
Fig. 1. Partie aus dem Dünnschliff von dem Boden eines Berliner Porzellantiegels bei 1500facher Vergrößerung;
Fig. 2. Partie aus dem Dünnschliff von dem Deckel desselben bei 2000facher Vergrößerung;
Fig. 3. Ein gleiches Präparat wie 2 nach Behandlung mit Flußsäure,
Fig. 4. Körner zwischen den Beloniten.
 
Zur Vermeidung von Mißverständnissen möchte ich hierzu bemerken, daß m. E. Fig. 1 ein allgemeines Bild wiedergibt, während durch Fig. 2 und 3 nur besonders ausgesuchte Stellen der Präparate veranschaulicht werden; denn es läßt sich nicht annehmen, daß die Strukturen eines Berliner Porzellantiegels und Deckels so wesentlich verschieden sein sollen. Vielleicht stellt auch Fig. 2 ein bereits mit Flußsäure behandeltes Präparat dar.
Die Angabe von Tenax 5), daß das Porzellan ein mechanisches Gemenge unangegriffener Quarz- und Kaolinteilchen ist, deren Zwischenraume durch den geschmolzenen, aber nicht chemisch angreifenden Feldspat ausgefüllt sind, hat wenig Wahrscheinlichkeit. Auch die Erklärung von Schumacher 6), daß das Porzellan ein dem Milchglas ähnliches Erzeugnis ist, dessen Durchsichtigkeit durch Ausscheidung von amorphem Aluminiumsilikat aufgehoben ist, läßt sich nicht aufrecht erhalten. Sehr beachtenswert sind dagegen Hussaks 7) mikroskopische Untersuchungen verschieden hoch erhitzter Porzellanmassen. Ein fertig gebranntes Porzellan besteht danach aus wenig großen Quarzsplittern in einer vorherrschenden, amorphen Masse; diese ist durch an Sillimanit, Al2 O3. Si O2, erinnernde, feine Nädelchen stark entglast. Außerdem finden sich noch einige größere Bläschen. Nach Vernadsky 8) sind die in verschiedenen Porzellanen auftretenden prismatischen Kristalle optisch positiv, löschen im polarisierten Licht parallel zu den Prismenflächen aus und sind in kalter konz. Flußsäure unlöslich. Durch Isolierung mittelst konz. Flußsäure, konz. Schwefelsäure, Neutralisation durch Ammoniumkarbonat, Dekantieren und Waschen fand Vernadsky im Sèvres-Porzellan 35 % Kristalle von der Zusammensetzung: 29,7 % SiO2 und 70,3 Al2O3; diese entspricht der Formel 11 Al2O3 . 8 SiO2. Vernadsky hält es aber für möglich, daß bei der lsolierung ein Teil der Kristalle ohne Aenderung der äußeren Form zerlegt wurde unter Verflüchtigung von Si F4 und Hinterlassung eines unsichtbaren Tonerdepulvers an denselben. Vernadsky hält diese Kristallnadeln für Sillimanit. Dieser Ansicht schließt sich Mellor 8) an, welcher ebenfalls einige Porzellane mikroskopisch untersuchte. —
Nach den bisher besprochenen Beobachtungen enthält die glasige Grundmasse in den Porzellanen Kaolinkügelchen (Ehrenberg), Quarzsplitter von 3—40 µ Durchmesser mit abgerundeten Kanten (Behrens), die von einer etwa 3 µ breiten, schwächer lichtbrechenden, wahrscheinlich kieselsäurereicheren Zone umgeben sind (Behrens), körnige Entglasungsprodukte von 0,4—0,5 µ Durchmesser (Behrens) [?] und zahllose Kristallnädelchen (Oschatz und Wächter), bis 30 µ lang und 0,4—0,6 µ dick (Behrens), die Entglasungsprodukte darstellen (Oschatz und Wächter), an Sillimanit erinnern (Hussak), optisch positiv sind, im polarisierten Licht parallel zu den Prismenflächen auslöschen, in kalter konz. Flußsäure unlöslich sind, im Sèvres-Porzellan 35 % ausmachen, und die Zusammensetzung 11 Al2O3 . 8 SiO2 haben, wahrscheinlich aber weniger Al2O3 enthalten und Sillimanit von der Zusammensetzung Al2O3 . SiO2 darstellen (Vernadsky). Ferner enthält das Porzellan Gasbläschen von 2—60 µ Durchmesser, kugelig, eiförmig oder birnförmig (Behrens).
Aus diesen wenigen, z. T. nicht genügend klar gelegten Untersuchungen konnte ich kein genaues Bild von den Mikrostrukturen der Porzellane gewinnen. lch verschaffte mir deshalb 40 verschiedene Porzellane, stellte Dünnschliffe derselben her und untersuchte diese u. d. M. bei 540- und 1000facher Vergrößerung. Auch führte ich von den Dünnschliffen Mikrophotogramme bei 1000facher linearer Vergrößerung aus, von denen die besten auf der angehängten Tafel wiedergegeben sind.

b) Eigene Beobachtungen.

Den näheren Ermittelungen möchte ich hier vorausschicken, daß bei der Beobachtung der Porzellandünnschliffe u. d. M. zwischen + Nic. ein merklicher Unterschied im Gehalt an kristallinischem Quarz zwar erkennbar war, dieser sich jedoch nur schätzungsweise feststellen ließ, weil wegen der verschiedenen Korngröße und Lage Messungen kein genaues Ergebnis liefern können. 10) Ferner zeigte das Vorkommen von Kristalliten einige besondere Merkmale. Darnach lassen sich die untersuchten Porzellane in folgender Weise ordnen:
I. Porzellane ohne Kristallite.
1. Königliche Porzellanmanufaktur in Berlin. Figurenmasse; 34,5 % Kaolin, 11 % Quarz, 54,5 % Feldspat; S. K. 8 11) (~ 1305 °). 12)
2. Dgl. Eine gleiche Figurenmasse.
II. Porzellane mit sehr wenigen, vereinzelt auftretenden Kristalliten.
3. Porzellanfabrik von Th. Recknagel in Alexandrinenthal. Billige Figurenmasse; S. K. 9 (~ 1335 °).
III. Porzellane mit stellenweise in größeren Gruppen auftretenden Kristalliten.
4. Porzellanfabrik von C. Tielsch & Co. in Altwasser. Geschirr; Gußmasse; 45 % Kaolin, 30 % Quarz, 25 % Feldspat. S. K. 14 (~ 1410 °).
5. Karlsbader Kaolin - lndustrie - Gesellschaft in Merkelsgrün. Geschirr; S. K. 14 (~1410 °).
6. Unbekannte Herkunft. Geschirr.
7. Unbekannte Herkunlt. Geschirr.
S. Königliche Porzellanmanufaktur in Berlin. Heineckeporzellan; 33 % Kaolin, 32 % Quarz, 35 % auf Feldspat umgerechnete Fritte; S. K. 12 (~ 1370 °)
9. K. K. priv. Porzellanfabrik von Pröscholdt & Co. in Dallwitz. Geschirr; Formmasse; 54 % Kaolin, 27 % Quarz, 17 % Feldspat, 2 % Kalkspat.
10. Dgl. Geschirr; Gießmasse; gleiche Zusammensetzung wie 9.
11. Dgl. Geschirr; Formmasse; 48 % Kaolin, 28 % Quarz, 22 % Feldspat.
12. Dgl. Geschirr; Gießmasse; gleiche Zusammensetzung wie 11.
13. Fürstenberger Porzellanfabrik in Fürstenberg. Geschirr; 50 % Kaolin, 23 % Quarz, 27 % Feldspat.
14. Porzellanfabrik von Conta & Böhme in Pößneck. Figurenmasse.
15. Porzellanfabrik von C. M. Hutschenreuther in Hohenberg. Geschirr, 50 % Kaolin, 25 % Quarz, 25 % Feldspat; S. K. 14 (~ 1410 °).
IV. Porzellane mit sehr vielen, ziemlich gleichmäßig verteilten Kristalliten.
16. Königliche Porzellanmanufaktur in Meißen. Kurrentmasse; 70 % Kaolin, 23 % Feldspat, 7 % Scherben; S. K. 14 (~ 1410 °).
17. Königliche Porzellanmanufaktur in Berlin. Hartporzellan; 55 % Kaolin, 22,5 % Quarz, 22,5 %, Feldspat; S. K 15 (~ 1435 °).
18. Porzellanfabrik von Jakob Zeidler & Co. in Selb. Geschirr.
19. Königliche Porzellanmanufaktur in Berlin. Walzenmasse; etwa 55 % Kaolin, 20 % Quarz, 25 % Feldspat; S. K. 13 (~ 1395 °).
20. Dgl. Laboratoriumsschale; 55 % Kaolin, 22,5 % Quarz, 22,5 % Feldspat; S. K. 15 (~ 1435 °).
21. Porzellanfabrik Ph. Rosenthal & Co., A.-G., in Selb. Geschirr; etwa 50 % Kaolin, 23 % Quarz, 27 % Feldspat; S. K. 14/15 (~ 1410—1430 °).
22. Porzellanfabrik Kalk in Eisenberg. Geschirr.
23. Porzellanfabrik von Carl Krister in Waldenburg. Geschirr; 45 % Kaolin, 31 % Quarz, 23 % Feldspat; S. K. 15/16 (~ 1430—1450 °).
24. Porzellanfabrik von C. Tielsch & Co. in Altwasser. Geschirr; 45 % Kaolin, 30 % Quarz, 25 % Feldspat; S. K. 14/15 (~ 141O—1430 °)
25. Porzellanfabrik von Utzschneider & Co. in Saargemünd. Geschirr.
26. Porzellanfabrik von Jakob Zeidler & Co. in Selb. Geschirr.
27. Porzellanlabrik von Schomburg & Söhne, A.-G., in Margarethenhütte. Hartfeuerporzellan; 50 % Kaolin, 25 % Quarz, 25 % Feldspat; S.K. 15/16 (~ 1430—1450 °).
28. Buckauer Porzellanmanufaktur in Magdeburg-Buckau. Geschirr.
29. Meißener Ofen- und Porzellanfabrik in Meißen. Geschirr; etwa 1400 °
30. Porzellanlabrik Kalk in Eisenberg. Geschirr.
31. Porzellanfabrik von Gebrüder Pohl in Schmiedeberg. Flaschenverschlußknopf.
32. Porzellanfabrik Königszelt in Königszelt. Geschirr.
33. Eisfelder Porzellanöabrik, K.-G., in Eisfeld. Flaschenverschlußknopö.
34. Meißener Ofen- und Porzellanfabrik in Meißen. Geschirr; etwa 1400 °.
35. Porzellanfabrik Kahla in Kahla. Geschirr.
36. Fürstenberger Porzellanfabrik in Fürstenberg. Geschirr.
37. Porzellanfabrik von Josef Hohmann in Düsseldorf-Derendori. Geschirr; 50 % Kaolin, 30 % Quarz, 20 % Feldspat; S. K. 14/15 (~1410—1430 °).
38. Porzellanfabrik Kloster-Veilsdorf bei Veilsdorf. Flaschenverschlußknopf.
39. Porzellanfabrik Viktoria, Schmidt & Co, in Alt-Rohlau. Geschirr; 40 % Kaolin, 28 % Quarz, 20 % Feldspat; etwa 1400 °.
40. Königliche Porzellanmanufaktur in Berlin. Segerporzellan; 25 % Kaolin, 45 % Quarz, 30 % Feldspat; S. K. 10 (~ 1345 °).
41. Königliche Porzellanmanufaktur in Berlin. Marquardtsche Masse; S. K. 15 (~ 1430 °).
 
Das Ergebnis der eingehenden mikroskopischen Untersuchungen dieser Porzellane ist folgendes:
1. und 2. Beide Proben des Berliner Figurenporzellans lassen eine glasige Grundmasse mit einer wolkig eingelagerten, amorphen Masse und kristallinischen Einsprenglingen erkennen. Diese zeigen zwischen + Nic. helles Aufleuchten und lebhafte Interferenzfarben; es sind bei der Bildung des Porzellans kristallinisch gebliebene Quarzkörnchen von 2—30 µ Durchmesser. Sie besitzen meist scharfe Ecken und Kanten, und nur wenige derselben sind schwach abgerundet und etwas zerfressen; diese Erscheinung spricht dafür, daß der die glasige Grundmasse bildende Feldspat während des Brennprozesses nur sehr wenig Quarz aufgelöst hat. Größere Quarzkörnchen sind hierbei zerklüftet. — Die in der Grundmasse stellenweise zu beobachtenden Schlieren sind wahrscheinlich auf die Umrandungen größerer Feldspatkörnchen zurückzuführen, welche nicht vollständig ineinander verschmolzen sind. Von dem Beginn einer Auskristallisation ist nichts zu beobachten. — Die wolkig eingelagerte Masse, welche als ein Aggregat zusammengeschrumpfter Körnchen oder Blättchen von 2-6 µ Durchmesser erscheint, ist wahrscheinlich entwässerter, amorph gewordener Kaolin, Al2O3 . 2 SiO2; die ursprünglich meist scharfkantigen Kristallfetzen des Kaolins sind beim Garbrand anscheinend in rundliche und längliche Körnchen mit unregelmäßiger, runzlicher Oberfläche umgewandelt worden. — Außerdem treten noch viele kugelig oder birnförmig, auch unregelmäßig gestaltete und breitgedrückte Gasbläßchen von 1—30 µ Durchmesser als Ueberbleibsel der Zwischenräume in den rohen, trockenen Massen auf.
3. ln diesem Figurenporzellan beobachten wir ebenfalls eine glasige Grundmasse mit wolkig eingelagertem, amorphem Al2O3 . 2 SiO2, Quarzeinsprenglingen und Bläschen. Außerdem treten aber noch in der glasigen Masse einzelne Kristallite in prismatischer Ausbildung auf. Diese besitzen deutliche Doppelbrechung, sind optisch positiv und löschen im polarisierten Licht parallel zu den Prismenflächen aus. Ihre Dicke beträgt bis 1 µ und ihre Lange bis 20 µ. — Die kristallinischen Quarzkörnchen von 2—40 µ Durchmesser, deren Menge merklich größer ist als beim Berliner Figurenporzellan, haben wie dort schwach abgerundete Ecken und Kanten und sind teilweise zerklüftet. Auch hier scheint beim Garbrande nur ein geringer Teil des ursprünglichen Quarzes vom geschmolzenen Feldspat gelöst zu sein.
4—15. Diese, nach steigendem Gehalt an kristallinischem Quarz geordneten Porzellane bestehen übereinstimmend aus einer glasigen Grundmasse mit stellenweise in größeren Gruppen auftretenden Kristalliten, wolkig eingelagertem, amorphem Al2O3 . 2 SiO2 von 2—6 µ Durchmesser, Quarzeinsprenglingen von 2—40 µ Durchmesser und wenigen Gasbläschen von 1—20 µ Durchmesser. Während aber bei den Proben 4—8 meist nur größere, häufig stark abgerundete, zerfressene und zerklüftete Quarzkörnchen zu beobachten sind, enthalten die übrigen Porzellane neben den großen auch viele kleine Quarzsplitter, welche wenig korrodiert sind. Die stark abgerundeten Quarzkörnchen sind häufig von wahrscheinlich kieselsäurereichen, einige µ breiten Glashüllen umgeben, die ein anderes Lichtbrechungsvermögen besitzen als die eigentliche Grundmasse; es finden hier anscheinend Uebergänge vom kristallinischen Quarz zur glasigen Grundmasse statt. Bei diesen Porzellanen macht sich also die lösende Wirkung des beim Garbrande geschmolzenen Feldspates deutlich bemerkbar. — Die bis 1 µ dicken und bis 20 µ langen prismatischen Kristallite sind meist wirr durcheinander, auch parallel zu einander und gitterartig (drei in parallelen Ebenen unter 60 ° zu einander laufende Richtungen), seltener radial- oder fächerförmig orientiert und heben sich stellenweise aus reiner glasiger Masse besonders hervor. Sie besitzen in allen Fällen deutliche Doppelbrechung, sind optisch positiv und löschen im polarisierten Licht parallel zu den Prismenflächen aus. — Das amorphe Al2O3 . 2 SiO2 dessen Menge bei den Porzellanen 11—15 anscheinend größer ist als bei den übrigen, ist nahezu gleichmäßig in der Grundmasse verteilt.
16—40. Während bei allen diesen Porzellanen eine ziemlich gleichmäßige Verteilung der sehr zahlreichen Kristallite in der glasigen Grundmasse zu beobachten ist, zeigen sich im Gehalt an kristallinischem Quarz recht große Abweichungen. Am wenigsten Quarz enthalten das Meißener Porzellan und das Berliner Hartporzellan. In beiden machen sich zwischen + Nic. nur wenige, kleine Quarzkörchen durch helles Aufleuchten bemerkbar. Die Kristallite aber sind bei dem Meißener Porzellan meistens größer als bei dem Berliner und erreichen eine Lange von 25 µ. Im übrigen enthalten beide Porzellane noch amorphes Al2O3 . 2 SiO2 und wenige Gasbläschen von 1—30 µ Durchmesser.
Bei den Porzellanen mit höherem Quarzgehalt zeigen sich nur insofern strukturelle Unterschiede, als die Korrosion und Menge des Quarzes, sowie der Gehalt an amorphen Al2O3 . 2 SiO2 und die Größe und Menge der Kristallite verschieden sind. Den höchsten Quarzgehalt besitzt das Segerporzellan; in diesem zeigen die einzelnen Körnchen auch nur schwache Korrosion. Die Porzellane 38 und 39 enthalten ebenfalls viel Quarz, der nur wenig abgerundet und zerfressen ist. Bei den übrigen Porzellanen sind die meist stark korrodierten Quarzkörnchen von wahrscheinlich kieselsäurereichen Glaszonen umgeben. — Die größten Kristallite, welche sich aus reiner glasiger Masse noch besonders deutlich hervorheben, treten in den Porzellanen 19, 30 und 31 auf; sie haben 2 µ Dicke und 30 µ Länge. Milchig trübe erscheinende Stellen in einigen Porzellanen sind durch ein dichtes Haufwerk feinster Kristallite ausgezeichnet. In sämtlichen Porzellanen besitzen die Kristallite aber gleichen Charakter; sie haben deutliche Doppelbrechung, sind optisch positiv und löschen im polarisierten Licht parallel zu den Prismenflächen aus. Das amorphe Al2O3 . 2 SiO2 ist wie bei den übrigen Porzellanen wolkig eingelagert, und die Zahl der Gasbläschen ist gering.
41. Hier möge noch die Marquardtsche Masse Erwähnung finden, die wegen ihrer Porosität allerdings als Porzellan nicht anzusprechen ist. Sie bildet ein Aggregat unregelmäßiger, amorpher Körnchen von 1—8 µ Durchmesser und weniger kleiner Quarzsplitter, die zwischen + Nic. durch ihre lebhaften Polarisationsfarben deutlich hervortreten. An einzelnen Stellen treten auch winzige prismatische Kristallite auf, ähnlich denen in den Porzellanen.
Winzige, körnige Entglasungsprodukte, wie Behrens sie beobachtet haben will, konnte ich in keinem der von mir untersuchten Porzellane feststellen. Es ist daher anzunehmen, daß entweder die Zusammensetzung der von Behrens im Jahre 1873 untersuchten Porzellane eine andere war als die der heutzutage hergestellten, oder daß es sich um Körnchen des amorphen Al2O3 . 2 SiO2 gehandelt hat.
Fassen wir nun das Ergebnis der gemachten Beobachtungen zusammen, so haben wir bei allen Porzellanen zu unterscheiden zwischen Bestandteilen, welche ihren ursprünglichen Charakter ganz oder zum Teil bewahrt haben, und solchen, deren mineralische Natur verloren gegangen ist. Zu den ersteren gehört allein der Quarz, während den letzteren die übrigen Bestandteile der rohen Porzellanmassen zuzurechnen sind. Die Porzellane erscheinen hiernach als Massen, bei welchen der Quarz als kristallinischer Körper in einer aus Feldspat und Kaolin hervorgegangenen Grundmasse steckt.
Eine analoge Erscheinung können wir in der Natur nicht finden, da ja im vorliegenden Falle der Quarz nicht selbständig aus einem Magma ausgeschieden ist, sondern schon vor Einleitung des Vorganges bei der Porzellanbildung ein kristallinischer Körper war. Die Struktur der Porzellane läßt sich jedoch mit der porphyrischen Struktur der Eruptivgesteine vergleichen; hierbei entspricht der Quarz den intratellurischen Einsprenglingen, und die Grundmasse der glasig erstarrten Grundmasse der Ergußgesteine. Die Grundmasse der Porzellane kann nun ganz amorph sein oder, wie in den meisten Fällen, Anfänge von Auskristallisation, Kristallitenbildung, zeigen. Im ersteren Falle haben wir die rein vitrophyrische Struktur Rosenbuschs; 13) hierher gehören die beiden Proben des Berliner Figurenporzellans. ln dem anderen Falle läßt sich die Struktur bei großer Anzahl gut ausgebildeter Kristallite als hypokristallinporphyrische ansehen, und zwar vom hyalopilitischen Typus, da die Kristallite in der stets vorwiegenden Glasbasis eingebettet sind; hierher sind die Porzellane 16—40 zu rechnen, während die Strukturen der übrigen Porzellane Uebergänge zwischen den beiden genannten bilden. Hierbei ist noch zu beachten, daß die amorphe Grundmasse bei den Porzellanen kein homogenes Gebilde ist, sondern an verschiedenen Stellen verschiedene chemische Zusammensetzung hat; denn sie enthält amorphes Al2O3 . 2 SiO2 wolkig eingelagert und ist in der Nähe der stark korrodierten Quarzkörnchen zweifellos kieselsäurereicher als im übrigen Teil; ähnlich werden solche Stellen beschaffen sein, an welchen kleine Quarzsplitter vollkommen in Lösung gegangen sind.
1) Ueber mikroskopische neue Charaktere der erdigen und derben Mineralien. Pogg. Ann. 39 (1836), S. 101.
2) Zur Theorie der Porzellanbildung. Dingl. Journ. 106 (1847), S. 322.
3) Ueber das Porzellan und einige verwandte Entglasungsprodukte. Pogg. Ann. 150 (1873), S. 386.
4) Lehrbuch der chemischen Technologie. Braunschweig 1847, I. Bd., S. 504.
5) Sprechsaal 1876, S. 163.
6) Zur Konstitution des Porzellans. Sprechsaal 1877, S. 105.
7) Feldspatporzellan. Sprechsaal 1889, S. 153.
8) Sur la reproduction de la Sillimanite. Bull. de la Soc. fr. de Min. 13 (1890), S. 256.
9) Some chemical and physical changes in the fring of pottery etc. Journ. Soc. Chem. lnd. 26 (1907), S. 375.
10) Vgl. Rosival. Ueber geometrische Gesteinsanalyse. Verh. d. K. K. geol. Reichsanstalt Wien. 1898, S. 143. — Heyn. Wie ermittelt man den Gehalt an Schamotte und Quarz in ungebrannten Tonwaren? Tonind. Ztg. 31 (1907), S. 530.
11) Die meisten Angaben über Masseversatz und Brenntemperatur verdanke ich den Herren Fabrikanten.
12) Rothe. Bericht über die Erweichungstemperaturen und die Prüfung von Segerkegeln. Tonind. Ztg. 31 (1007), s. 1307.
13) Elemente der Gesteinslehre. 2. Aufl. Stuttgart 1901, S. 55 und 56.
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