Thüringen kann man guten Gewissens als Porzellanland bezeichnen. Eigentlich könnte man sogar etwas übertrieben und mit einem Augenzwinkern behaupten: Ohne Thüringen gibt es kein Porzellan! Jedenfalls nicht die europäische Variante, denn während man in China schon lange von Porzellantellern tafelte und seltene Vasen anfertigte, entdeckte der in der thüringischen Stadt Schleiz geborene Alchemist und Chemiker Johann Friedrich Böttger erst im Jahre 1708 mehr oder weniger durch Zufall das europäische Hartporzellan - das allerdings in Sachsen auf der Festung Königsstein. Trotzdem ist Thüringen weit über seine Landesgrenzen hinaus für sein Porzellan bekannt: das Zwiebelmuster aus Eisenberg und natürlich das Kahlaer Porzellan zeugen neben vielen anderen Manufakturen von einer großen und langen Tradition.
»Porzellan hat mich früher aber trotzdem nicht interessiert« lacht Nicole Schäufler. »Ich sammle es erst seit vier Jahren und bin mehr oder weniger nur durch Zufall dazu gekommen. Wir haben ein Haus in Eisenberg gekauft und ich suchte ein paar schöne Stücke mit Bezug zur Stadt, um unser Heim zu dekorieren. Da bot sich das Porzellan an, aber es sollte nicht das allseits bekannte Zwiebelmuster sein. Mehr Anspruch hatte ich gar nicht.«
Deshalb verlief ihre Suche zunächst etwas ziellos. Doch dann entdeckte Nicole Schäufler ein paar Porzellanstücke der Eisenberger Firma Wilhelm Jäger aus den frühen 30er Jahren, in die sie sich auf Anhieb verliebte.
»Solches Porzellan hatte ich noch nie gesehen. Ich habe einfach nicht gewusst, dass man hier solch wunderschönes Tafelgeschirr hergestellt hat. Ab diesem Zeitpunkt war es um mich geschehen, seitdem schaue ich intensiv nach schönen und seltenen Stücken.«
KRIMINALISTISCHES GESPÜR
Das ist nicht immer leicht, denn solches Eisenberger Porzellan zu finden gleicht fast einem Krimi. »Auf den Flohmärkten in der Umgebung bin ich kaum erfolgreich, denn in der Regel wurde das Porzellan seit den 20er Jahren ins Ausland exportiert, besonders in die Niederlande und nach Belgien. Heutzutage hilft natürlich das Internet, vor dreißig Jahren wäre diese Art der Suche nicht möglich gewesen. Und dann ist es jedes Mal eine Zitterpartie - bekomme ich das Stück oder nicht?« Der Grund für den hohen Export des Eisenberger Porzellans lag in der Käuferschaft. »Diese war in unserer Region einfach konservativer, man hat sich nicht getraut, viel Geld für die modernen Designs auszugeben. In anderen Ländern war man da schon etwas weiter. Viele der Museumsgäste sind deshalb genauso überrascht wie ich es war, was für tolles Porzellan bei uns hergestellt wurde.« Damit einher ging auch ein ordentliches Maß an Wohlstand für die kleine Thüringer Stadt. »Die Goldenen Zwanziger waren auch in Eisenberg spürbar. Der Stadt ging es gut, die Firmen waren marktorientiert, auf der Höhe der Zeit und dementsprechend erfolgreich.«
Mit der Sammelleidenschaft begann für die Museumsinhaberin auch eine intensive Beschäftigung mit der Geschichte des Eisenberger Porzellans. »Was hat man in den 20er Jahren hier gemacht, was in der DDR? Gerade diese Zeit interessiert viele Besucher und Besucherinnen. Das ist auch nicht verwunderlich, denn es sind immer viele Porzelliner dabei.» Porzelliner? Nicole Schäufler schmunzelt: »Porzelliner sind quasi das Pendant zu den Zeissianern in Jena. Fast jeder in Eisenberg kennt jemanden aus der Verwandtschaft oder im Freundeskreis, der in einem der Porzellanwerke der Stadt gearbeitet hat, ganz egal in welcher Funktion.«
Leider sind viele Unterlagen zu den Porzellanwerken verloren gegangen, so dass eine intensivere Recherche kaum noch möglich ist. Der zweite Weltkrieg, die DDR und der Abriss etlicher Fabriken in der Nachwendezeit - nicht viele Dokumente haben diese Zeiten überstanden. »Das macht die Zuordnung mancher Stücke manchmal etwas schwierig. Große Firmen haben stets ein Firmenarchiv gepflegt, das gab es in den kleinen Porzellanmanufakturen hier in Eisenberg nicht. Ebenfalls fehlen viele Aufzeichnungen zu den Designern oder gar zu den Entwürfen. Wenn ich da mal noch etwas finden würde, dass wäre ein Traum.«
RUNDGANG IM MUSEUM
Vor zwei Jahren hat sich Nicole Schäufler dazu entschlossen, ihre gesammelten Stücke auch öffentlich zu zeigen. »Es hatte sich mittlerweile schon einiges angesammelt und ich fand es schade, dass niemand das sehen konnte. Vor allen Dingen, weil auch wunderschöne Raritäten dabei sind.» Ihr ist es aber wichtig, nicht auf bloße Masse, sondern auf Klasse zu setzen. »Ich sage in einhundert Fällen 99 Mal Nein und schlage nur dann zu, wenn das Stück mich richtig begeistert oder selten zu finden ist.«
Das Museum ist klein, aber man spürt die Liebe, mit der es eingerichtet wurde, in jeder Ecke. Besonderes Augenmerk legt die Ausstellung auf die Porzellanentwürfe der Firma Wilhelm Jäger aus der Zeit des Art Deco. Das Porzellan ist liebevoll und durchdacht platziert, an den Wänden finden sich Erklärtafeln zum jeweiligen ausgestellten Jahrzehnt und weiteren Eisenberger Porzellanproduzenten. Zu allen Stücken weiß Nicole Schäufler eine interessante Geschichte zu erzählen. Dann zeigt sie auf die Exemplare, mit denen alles begann. Und tatsächlich: Das Design der Stücke ist zeitlos, die Farbauswahl der handgemalten und an das Bauhaus erinnernden Dekorationen könnten nicht passender zum elfenbeinfarbenen Grundtenor des Porzellans sein. Die Auflage aus Platin spricht für hohe 1 Qualität. Wirklich beeindruckend.
Momentan liegt das Museum noch etwas im Winterschlaf, doch Nicole Schäufler freut sich schon wieder auf Gäste. »Porzellan öffnet die Menschen für Gespräche. Wie oft höre ich zum Beispiel: Mensch, meine Tante hatte genau dieses Service. Das hat sie geerbt von ihrer Mutter und die hat in dieser oder jener Straße gelebt ... und dann kommen die Leute ins Erzählen. Da geht mir jedes Mal das Herz auf.«
(mst)
Fotos: Nicole Schäufler / Michael Stocker