Porzellanfabrik Wilhelm Jäger in Eisenberg/Thüringen • Kantinenporzellan

Kantinengeschirr nicht nur zwischen 1933 und 1945

Dickwandiges Geschirr, welches häufig verwendet oder stark beansprucht wird, wird oftmals als »schwere Qualität« und im weiteren als Kantinenporzellan bzw. Kantinengeschirr bezeichnet. Einsatz findet entsprechendes Geschirr in Hotels, Gaststätten und Kantinen sowie Feldküchen. Obwohl Kantinengeschirr fast ausschließlich für Bewirtungsstätten, Betriebe und Behörden gefertigt wurde, »wanderte« vieles davon nicht nur während des Fortsetzungskrieges in private Hände. Heute, nach gut 75 Jahren, taucht aus Kellern und anderen Lagerstätten vieles wieder auf und inzwischen finden sich viele Stücke auf Flohmärkten und Internet­auktionen.
Die Stadt Eisenberg in Thüringen war in der NS-Zeit (1933 - 1945) zugeordnet:
  • dem Arbeitsgau 23 bzw. XXIII,
  • dem Partei-/Reichs-Gau 34,
  • dem Wehrkreis IV, ab 01.04.1936 dem Wehrkreis 9,
  • dem Luftgau 3,
  • der Orts-/Kreiskennziffer 0354 (Teil der Reichsbetriebsnummer) für den Kreis Stadtroda.
Im Nachfolgenden geht es überwiegend um Kantinengeschirr der Porzellanfabrik Wilhelm Jäger in Eisenberg/Thür.
 

Die privatwirtschaftlichen Abnehmer

Privatwirtschaftliche Abnehmer wie Gaststätten, Hotels oder Firmenkantinen erwarben Kantinenporzellan ohne Dekor (Weißware) oder mit Farb­linien (z.B. doppelte dunkelgrüne Linien) oder mit Firmenlogo und ggf. weiterer Ausstattung.
Firmenlogos wurden häufig von der Porzellanfabrik dekoriert (FABRIKDEKORIERT), aber gelegentlich auch von einem Porzellan­dekorateur.
Gelegentlich finden sich auch Andenkenmotive, beispielsweise mit (para-)militärischem Bezug.

Bilder zu privatwirtschaftliche Abnehmer

Ab 1933: Die staatlichen Abnehmer

In der Zeit des Nationalsozialismus, dem sogenannten Dritten Reiches Deutschlands, wurde Kantinenporzellan mit und ohne weitere Dekoration für verschiedene staatliche Abnehmer hergestellt. Die Markungen der Porzellanfabrik W(ilhelm) Jäger (Eisenberg/Thür.) wurde entsprechend erweitert um Buchstaben, Worte bzw. Symbole:
  • Wort: Arbeitsdienst 1934 - 1936
  • Wort: Reichsarbeitsdienst von 1937 - 1939? [offiziell Reichsarbeitsdienst ab 26. Juni 1935; Marke ab 1940 bislang nicht gesichtet]
  • Symbol: Adler der Weimarer Republik + Buchstabe: M 1934 - 1936
  • Symbol: Adler der Kriegsmarine mit für den Betrachter nach links gerichtetem Kopf mit stilisiertem Kranz und darin das auf der Spitze stehende Hakenkreuz (Swastika) + Buchstabe: M 1937 - 1942 [offiziell Kriegsmarine ab 1. Juni 1935; Marke ab 1943 bislang nicht gesichtet]
  • Symbol: SS (gedoppelte Sieg-Rune) im Kreis wahrscheinlich ohne Jahresangabe [bislang nicht gesichtet]
Derzeit existiert keine Übersicht, welche Geschirrteile an welche Behörden mit entsprechender Stempelung ausgeliefert wurden. Für die Kriegsmarine liegen immerhin noch einige Exemplare des »Allgemeines Gerätesoll«, eine Inventarliste bzw. Erstaus­rüstungsliste, beispielsweise für U-Boote (U-530, U-874), vor (siehe weiter unten). Eindeutige Hinweise auf eine Produktion für das Heer (Wehrmacht) oder für die Luftwaffe (Fl.U.V. ≘ Fliegerunterkunftverwaltung) fehlen derzeit.
 

Katalogseite/Werbeblatt ca. 1939 (nach Juni 1935 und vor April 1945)

 
Kaffeekanne 29 a 3½ Liter
Kannen massiv (8 Größen)
Gießer massiv (7 Größen)
Gießer o. Henkel 1 Portion
Gießer m. Henkel 1 Portion
Zuckerschalen (2 Größen)
Teller tief 23 cm (Speiseteller 5 b)
Teller flach 23 cm (Speiseteller 30)
Salats [] 7 Größen: 13,5 cm - 32 cm)
Suppennapf (4 Größen)
Löwenkopfterrine (4 Größen)
Sauciere (3 Größen: 0,25 Liter bis 0,45 Liter)
Fleischplatten (6 Größen: 22,5 cm bis 40 cm)
Milchbecher ½ stark (10 cm hoch 7,2 cm ∅)
Milchbecher dick (11 cm hoch 7,6 cm ∅)
 
Eßnapf 4 a (10 cm hoch, 21 cm ∅)
Becher 6 B (9,6 cm hoch 10,5 cm ∅)
Einsatztasse 769 (3 Größen)
Becher 799 (9 cm hoch 8 cm ∅)
Becher 824 (11 cm hoch 8 cm ∅)
Becher 810 (10 cm hoch 9,5 cm ∅)
Tasse 20 (3 Größen)
 
Senfmenage
Salz u. Pfeffer
Buttersauciere
Kompottschale
Beilage
Platte 3 tlg. 35 cm
Platte 3 tlg. 30 cm
Platte 2 tlg. 28 cm
 

Ab 1943: Reichsbetriebsnummer

Anfang 1943 wurde die Markierung von Hergestelltem mit einem Firmenzeichen (Markenzeichen) zu Gunsten der Reichs­betriebsnummer (R.B.Nr.) umgestellt und wenig später wurde auf die Markung vollständig verzichtet, wodurch auf ohnehin nicht zwingend notwendige Arbeitsschritte bei der Herstellung des Kantinenporzellans verzichtet wurde. Welche Reichsbetriebs-Nummer seinerzeit der Porzellanfabrik Jäger zugeteilt worden war oder ob die Zulieferung der Staatsbehörden beendet wurde, ist derzeit nicht bekannt. In der Reichsbetriebskartei – die 1944 zuletzt aktualisiert worden war – findet sich eine Karte der Porzellanfabrik Jäger/Eisenberg nicht (mehr).
 

Ausrüstung von Schiffen und U-Booten

Entgegen der Vorstellung bezüglich der Bruchempfindlichkeit und des Gewichtes von Porzellan wurde Porzellangeschirr auch auf den Schiffen und U-Booten mitgeführt. Dies begründet sich vor allem darin, dass Porzellan deutlich preisgünstiger und der Rohstoff Aluminium für andere Produktionsbereiche wichtiger war.
 
Wie schon in den Zeiten der Kaiserlichen Marine (vor 1918) und der Reichsmarine der Weimarer Republik wurde Kantinengeschirr für höhere Dienstgradeträger auch nach Gründung der Kriegsmarine (1935) weiterhin mit Farbrand/Farblinie(n) hergestellt: Grün/Sedalongrün, Rot/Eisenrot, Gold/Schwarz bzw. Gelb/Blau bzw. Dunkelblau. Bis einschließlich 1942 waren drei Linien üblich: Zwei schmale Linien und mittig dazwischen eine breitere Linie. Ab 1942 finden sich Kantinen-/Kasinoporzellane mit einer breiten Linie - Seladongrün bzw. Mattgrün oder Eisenrot waren wahrscheinlich die offiziellen Farbbe­zeichnungen; Geschirr mit blauer Randlinie ist ebenfalls hergestellt worden.
Aus dem »Allgemeinen Gerätesoll«, einer Inventarliste bzw. Erstausrüstungsliste, beispielsweise von U-530 von 1942 (xlsx-Datei) oder U-874 von 1944 (xls-Datei) — letztere hier zusammengefasst in der Übersicht: Auflistung des mitgeführten Geschirrs — lässt sich neben der eingelagerten Menge die Bedeutung des Farbrandes des Kantinenporzellans bei der Marine ableiten:
  • Ohne Farblinie(n): Mannschaft und Unteroffiziere (ohne Portepee1).
  • Grüner Rand: Unteroffiziere mit Portepee [entspricht Oberdeckoffizier (Oberbootsmann, Obersteuermann etc.)] - Beispiele.
  • (Rot-)Brauner Rand: Offiziere [entspricht Deckoffizierleutnant, Leutnant zur See, Oberleutnant zur See, Kapitänleutnant, Korvettenkapitän, Fregattenkapitän, Kapitän zur See].
Die Besatzung von U-874 könnte in etwa diese gewesen sein: 48-köpfige Besatzung, bestehend aus 4 Offizieren, 6 Portepee­unteroffizieren, 8 Unteroffizieren sowie 30 Mannschaftsmitgliedern (Matrosen). Hinzu kam wahrscheinlich noch die 12-köpfige Einheit für die Flakbedienung.
 
1 Portepee (franz.) (deutsch: Faustriemen) war ursprünglich ein um Griff und Bügel einer Hiebwaffe sowie um das Handgelenk des Kämpfers geschlungene Bandschlaufe, welche einen ungewollten Waffenverlust im Kampf verhindern half, aber so auch eine Kapitulation erschwerte und dadurch ein Kämpfen bis zuletzt bedeutete. Heute handelt es sich zumeist um ein Zierband mit Quaste für höhere Dienstgrade.
 
Die Ausführung der etwa 2 mm breiten Einzellinie erfolgte vorzugsweise unter der Glasur - worin sich auch die Wahl der Farben erklärt -, wodurch es zu keinem Abrieb bei der Benutzung oder Reinigung kam. Für mindestens 1942 findet sich allerdings auch Kantinengeschirr mit Marinemarke und (seladon-/matt-)grüner Linie auf der Glasur. Geschirr mit (rot-)brauner Linie oder dunkelblauer Linie ist von der Porzellanfabrik Jäger bislang nicht gesichtet.
 
Das Verschwinden des »Jäger«-gemarkten Kantinengeschirrs soll im Jahr 1943 beispielsweise unter Kriegsmarineangehörigen aufgefallen und als schlechtes Ohmen gedeutet worden sein, fällt dies, wenn auch mehr ›zufällig‹, zeitlich zusammen mit der Umkehr von »Jäger und Gejagtem« beispielsweise im U-Boot-geführten Seekrieg.
 

Offene Fragen

  1. Wurde in der Porzellanfabrik Wilhelm Jäger (Eisenberg/Thüringen) Kantinengeschirr für die Kriegsmarine mit einer (rot-)braunen/ eisenroten oder dunkelblauen Linie hergestellt?
    Bisherige Einschätzung: Es ist bislang kein derartiges Geschirr für die Kriegsmarine gesichtet worden; es ist anzunehmen, dass kein derartiges Geschirr gefertigt worden war.
  2. Ist das von der Porzellanfabrik Wilhelm Jäger (Eisenberg/Thüringen) hergestellte Kantinengeschirr mit einer seladongrünen Linie, jedoch ohne Kriegsmarinestempel »ziviles« Geschirr oder hergestellt für die Kriegsmarine von 1943 bis 1945?
    Bisherige Einschätzung: Es ist Geschirr der Kriegsmarine.
  3. In welchen Porzellanfabriken wurden Kantinengeschirre mit farbigen Linien hergestellt?
    Bisherige Einschätzung: Eine Zusammenfassung der bisher vorliegenden Informationen findet sich auf der Übersichtsseite: Kriegsmarine-Kantinenporzellanhersteller.
  4. In welchem Jahr wurde die Markung von ARBEITSDIENST auf REICHSARBEITSDIENST umgestellt?
    Bisherige Einschätzung: Die Umstellung fand wahrscheinlich 1937 statt. Leider gibt es von der Porzellanfabrik Wilhelm Jäger (Eisenberg/Thüringen bislang kein Belegstück dafür. Weiters findet sich auf der Übersichtsseite: Reichs-Arbeitsdienst-Kantinenporzellanhersteller.
  5. Wie lautet die Reichsbetriebsnummer (RBNr.) der Porzellanfabrik Jäger (für die Jahre 1943 bis 1945)?
    Bisherige Einschätzung: Die Markung von Porzellan mit der RBNr. wurde in Eisenberg (Kreiskennziffer 0354) nicht praktiziert. Weiter ist nicht bekannt, ob die Porzellanfabrik Wilhelm Jäger in diesen Jahren überhaupt noch Geschirr für die Kriegsmarine und die anderen staatlichen Abnehmer hergestellt hatte.
    Darüber hinaus sind die Firmennummern nicht bekannt bzw. es ist nicht bekannt ob die Eisenberger Porzellanfabriken ab 1934 und vor 1943 eine entsprechende RBNr. zur Porzellanmarkung verwendeten.
  6. Gab es von der Porzellanfabrik Wilhelm Jäger (Eisenberg/Thüringen) Kantinenporzellan, welches für die SS hergestellt worden war?
    Bisherige Einschätzung: Bislang ist es nur Hörensagen - ein Belegstück ist bislang nicht gesichtet.
    Übersichtsseite: SS-Kantinenporzellanhersteller.
 

Weitere Geschirrformen und Produktionszeitfenster

Die Porzellanfabrik Jäger stellte kein Porzellan für die Deutsche Arbeitsfront (»Modell des Amtes - Schönheit der Arbeit«) her. Zwar finden sich durchaus ähnliche Ausformungen, jedoch niemals mit Amts-Markung.
 
In wie weit nach 1945 noch Kantinengeschirr ohne behördliche Kennzeichnung hergestellt worden war, ist derzeit nicht nachvollziehbar.
Die ab 1941 geltende Porzellanmarke mit einem W(ilhelm) als Krone über dem Jäger-Schriftzug wurde in leicht abgewandelten Formen und letztmalig Ende 1959 respektive Anfang 1960 offiziell gestempelt.
Abnehmer wie die Handelsorganisation (HO) und der Konsum wurden oftmals ohne eine Porzellanmarkung beliefert.
 

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Bekannte Porzellanmarken

Die Porzellanmarke ist stets unter der Glasur liegend, gestempelt, und die Farbe der Markung schwankt zwischen dunklem grün und schwarz. Derzeit ist davon auszugehen, dass die gestempelte Jahreszahl sich auf das Herstellungsjahr und nicht auf das Auslieferungsjahr bezieht. Dabei sind nachfolgende Besonderheiten und offenen Fragenstellungen zu beachten:
  • Entsprechende behördenkennzeichnende Porzellanmarken vor 1934 und nach 1942 sind derzeit nicht bekannt, genauso wenig wie Marken für die militärischen Glieder der Wehrmacht: Heer und Luftwaffe.
  • Wann der Wechsel von Arbeitsdienst auf Reichsarbeitsdienst als Markenzusatz erfolgte, ist derzeit nicht belegt; vieles spricht jedoch für das Jahr 1937 (wie auch bei den anderen Porzellan herstellenden Firmen).
  • Das Aussehen der Porzellanmarke auf Kantinenporzellan für die Kriegsmarine ist für das Jahr 1937 derzeit nicht belegt; vermutlich war es aber dem der nachfolgenden Jahre vergleichbar (wie auch bei den anderen Porzellan herstellenden Firmen).
  • Auf Geschirr für die Kriegsmarine ist für das Jahr 1939 der Schriftzug der Jahreszahl aus Ziffern mit oder ohne Serifen vorhanden. Ob der Wechsel in Richtung serifenlos durch den Kriegsbeginn bedingt war, kann derzeit nur spekuliert werden. Ab 1940 findet sich nur noch Jahrszahlen gesetzt mit serifenlosen Ziffern.
  • Geschirr ohne Markung ist ebenfalls in Umlauf gebracht worden – denkbarerweise ab 1943, möglicherweise aber auch schon vorher –; dies ist nur teilweise über die Geschirrform (anhand der unterseitigen Pressnummer) belegbar, da verschiedene Geschirrformen - insbesondere Flachgeschirre - keine alleinstellenden Merkmale besitzen.
Jäger Porzellanmarke ab ca. 1925 bis 1940  Jäger Porzellanmarke zwischen 1941 bis 1945
 
Arbeitsdienst 1934 Arbeitsdienst 1935
 
Platzhalter für Marke des Reichsarbeitsdienstes von 1936 Platzhalter für Marke des Reichsarbeitsdienstes von 1937 Reichsarbeitsdienst 1938 Reichsarbeitsdienst 1939
 
Reichsmarine 1934 Reichsmarine 1935 Reichsmarine 1936
 
Platzhalter für Marke der Kriegsmarine von 1937 Kriegsmarine 1938 Kriegsmarine 1939, Jahreszahl in Serifenschrift Kriegsmarine 1939, Jahreszahl in serifenloser Schrift Kriegsmarine 1940
 
Kriegsmarine 1941 Kriegsmarine 1942 ab 1943 wurde, wenn überhaupt, die Reichsbetriebsnummer (R.B.Nr.) gestempelt. Quelle: Erstellt aus Beschreibung der Marke - Original unbekannt.
 
Die obige SS-Markenabbildung ist kein Originalbild,
sondern wurde anhand von Beschreibungen gestaltet.
 

Quellennachweis/Zitation

Quelle

Porzellanmarkenbilder: Eigenes Archiv.
Markenabbildung Jäger, Reichsarbeitsdienst, 1938: Petermann, Pöpel (1999): Geschichte des Eisenberger Porzellans, Seite 68.
 

Zitation

 
 
 
©  2008  – 
by Günther Schleu
Zuletzt aktualisiert:
Hier abgebildete Geschirrteile und Firmen­unterlagen stehen derzeit nicht zum Verkauf oder Tausch.